Glasmosaik-Fragmente aus dem frühen 20. Jahrhundert
Im Jahr 2010 wurden im brandenburgischen Dorf Bredereiche Fragmente von Glasmosaiken einer heute unter Denkmalschutz stehenden Kapelle einer ehemaligen Erbbegräbnisstätte entdeckt. Es handelt sich um ein Offenburger Glasmosaik, das vermutlich in den Jahren 1905/06 angefertigt wurde und in seiner Art einmalig ist. Das vollständige Mosaikbild bedeckte vor seiner Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs auf drei Wände verteilt ca. 17 m² Wandfläche der Kapelle.
Von den insgesamt ca. 1.400 Glasmosaik-Fragmenten konnten ein paar größere Teile händisch zusammengesetzt werden. Dabei zeigte sich, dass ein manuelles Puzzeln sehr zeitintensiv, logistisch schwer handhabbar und intellektuell teilweise unmöglich ist. Das stetige Anwachsen von Teilrekonstruktionen erfordert sehr große Arbeitsflächen. Erschwerend kommt hinzu, dass vom ursprünglichen Mosaikbild weder Vorlagen noch Fotos existieren, die beim manuellen Puzzeln als Hilfestellungen herangezogen werden können.
Entwicklung eines prototypischen Assistenzsystems zur digitalen Wiederherstellung der Glasmosaik-Fragmente
Um Restauratoren und Archäologen bei Rekonstruktionsarbeiten wie diesen zu unterstützen, hat die MusterFabrik Berlin im Rahmen eines durch die Investitionsbank Berlin geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekts einen neuartigen automatisierten 2,5-D-Scanner sowie in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Rekonstruktionstechnik IPK Methoden zur digitalen Reposition multipel fragmentierter mehrdimensionaler Objekte entwickelt. Als Referenzmaterial dienten dabei die Glasmosaik-Fragmente aus Bredereiche.
Im Rahmen des Projekts wurde von der MusterFabrik Berlin ein 2,5-D-Scanner konstruiert und prototypisch im Labormaßstab aufgebaut. Der Scanner erfasst alle für die digitale Reposition relevanten Informationen eines Fragments in einem Scandurchgang: das Motiv und den Umriss des Fragments, den Umriss des Motivs sowie das Putzrelief, d.h. die Tiefeninformation des Fragments. Die angefertigten Aufnahmen werden mit Methoden der Bildverarbeitung und Mustererkennung weiterverarbeitet. Die Verfahren ermöglichen eine Charakterisierung und Klassifizierung der Glasmosaik-Fragmente und bilden so die Grundlage für ein assistenzbasiertes Puzzeln.
Die Funktionalität des ebenfalls im Rahmen des Projekts implementierten prototypischen Assistenzsystems beinhaltet das Vorsortieren von Fragmentteilen anhand verschiedener Merkmale, das Berechnen von Puzzle-Vorschlägen und das digitale Zusammenfügen passender Fragmentpaarungen sowie das Verorten bzw. Positionieren der zusammengefügten Fragmente in einem digitalen Abbild der Wandflächen.
Ergebnis des Projekts ist ein leistungsfähiges prototypisches Toolkit im Labormaßstab, mithilfe dessen insbesondere bestandsgefährdete Kulturgüter auch ohne Existenz einer Bildvorlage der zu rekonstruierenden Objekte wiederhergestellt werden können. Da das Puzzeln zunächst rein digital erfolgt, werden die meist empfindlichen Fragmente während der Rekonstruktion nicht über Gebühr beansprucht. Perspektivisch ist das Generieren einer aus dem digitalen Ergebnis abgeleiteten „Bauanleitung“ denkbar, anhand derer ein Restaurator das reale physische Objekt wiederherstellen kann.
Weitere Informationen zum Projekt der digitalen Reposition von „Glasmosaik-Fragmenten“
Gefördert durch:
Das Projekt wurde mithilfe der finanziellen Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) realisiert.
Unser Projektpartner: