Gottfried Wilhelm Leibniz gilt als Universalgenie seiner Zeit und war einer der bedeutendsten Philosophen und Mathematiker des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Die digitalen Rekonstruktionen der „Leibniz-Handschriften“ zeigen sämtliche Briefe und Schriften. Sein Œuvre umfasst nicht nur philosophische, theologische und politische Schriften, vielmehr genoss er seinerzeit als Naturwissenschaftler, Techniker und Mathematiker Weltruhm. Ohne Leibniz wäre die technische Entwicklung des 21. Jahrhundert nicht denkbar und insbesondere seine Entwicklung des binären Zahlensystems darf als Fundament der heutigen Informatik gelten.
Der Nachlass von Gottfried Wilhelm Leibniz – Die „Zettelwirtschaft“ eines Universalgenies
Leibniz hinterließ ca. 100.000 beschriebene Blätter, den wohl größten Nachlass der Weltgeschichte. Der internationale Briefwechsel als Teil des Nachlasses wurde 2008 in das UNESCO Weltdokumentenerbe aufgenommen. Sein Nachlass, heute nahezu vollständig an Leibniz’ Hauptwirkungsort Hannover in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) verwahrt, ist das bedeutendste materiale Zeugnis der gelehrten Welt der Frühen Neuzeit und Aufklärung.
Diesen Nachlass gänzlich zu erschließen ist das Ziel der Edition Gottfried Wilhelm Leibniz „Sämtliche Schriften und Briefe“. Hierbei ist gerade die Chronologie der Abfassung von Aufzeichnungen und Notizen von entscheidender Bedeutung. Doch aufgrund Leibniz’ Praxis, seine Manuskripte zu zerschneiden, um seine Gedanken thematisch zu ordnen, ist ein großer Teil seiner Schriften häufig nur in Form von Papierfragmenten und oft undatierten Zetteln überliefert, was die Erschließung seines Nachlasses erheblich erschwert.
Zerschnittenes digital wieder zusammenfügen – Die Pilotphase der digitalen Rekonstruktion
Um eine systematische Rekonstruktion zusammengehöriger Blattfragmente zu ermöglichen, wurde die MusterFabrik Berlin im Oktober 2015 im Rahmen eines von der Klaus-Tschira-Stiftung geförderten Pilotprojekts mit der Entwicklung eines prototypischen Systems zur digitalen Rekonstruktion der fragmentierten „Leibniz-Handschriften“ beauftragt. Die Arbeiten umfassten die Entwicklung einer automatisierten Digitalisierungseinheit zur beidseitigen digitalen Erfassung von Farb- und Durchlichtbildern der Leibniz-Bestände der GWLB in Hannover sowie in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK die Implementierung eines computergestützten Assistenzsystems zum Zusammenfügen der Digitalisate.
Nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten Anfang 2017 wurde im Rahmen des Pilotprojekts die digitale Rekonstruktion anhand der vorrangig mathematischen Schriften der Signaturgruppe LH 35 in der MusterFabrik Berlin erprobt. Aus dieser Testung resultieren 67 Rekonstruktionen; verglichen mit den bis dato im Zeitraum von 1976 bis 2016 mittels manueller Rekonstruktion als zusammengehörig identifizierten 60 Blattfragmenten ein enormer Erfolg.
Im Zuge einer sogenannten dynamischen Grundsicherung wurde der Pool der zu rekonstruierenden Handschriften bis Dezember 2017 um die Signaturgruppen LH 36–40 (Militaria – Physik, Mechanik, Chemie und Naturgeschichte – Technica – Literaturgeschichte – Sozietäten, Archivs- und Bibliothekswesen) sowie im Zeitraum von Januar bis April 2018 durch Drittmitteleinwerbungen um die Signaturgruppen LH 4 (Philosophie) (finanziert durch die NordLB-Kulturstiftung) und LH 5 (Philologie) (finanziert durch die CULT-Stiftung Hannover) erweitert. Als Ergebnis liegen mittlerweile insgesamt 145 erfolgreiche Rekonstruktionen vor, aus denen knapp über 100 Datierungen (sowohl Erstdatierungen als auch Präzisierungen bislang vager Datierungen und Umdatierungen) abgeleitet werden konnten.
Weitere Informationen zum Projekt der digitalen Rekonstruktion der „Leibniz-Handschriften“
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